Historie
Gebrüder Grimm
Friedhof der Brüder Grimm
Der 1856 geweihte Alte St.-Matthäus-Kirchhof war Begräbnisort der ehemaligen Evangelischen St.-Matthäus-Gemeinde am heutigen Kulturforum/Potsdamer Platz, einst bekannt als “Geheimratsviertel” am Südrand des Tiergartens. Das im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstörte alte Tiergartenviertel war eine der wohlhabendsten Gegenden in Berlin. Hier wohnten Kaufleute und Unternehmer, erfolgreiche Künstler, höhere Beamte und bedeutende Wissenschaftler. Viele von ihnen ließen sich auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof, damals noch weit außerhalb der Stadt gelegen, bestatten. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten unter ihnen gehören die Sprachwissenschaftler und Märchensammler Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859), der Mediziner und Politiker Rudolf Virchow (1821-1902), der Komponist Max Bruch (1838-1920) und der Bildhauer Friedrich Drake (1805-1882) , der die “Victoria” auf der Siegessäule schuf. Insgesamt knapp 60 Ehrengräber des Landes Berlin und unzählige weitere stadt- und bezirksgeschichtlich interessante Ruhestätten laden zu einem Besuch des Kirchhofes ein.
Adresse: Großgörschenstr. 12-14, 10829 Berlin-Schöneberg (U/S Yorckstraße). Lageplan
Download Faltblatt “Alter St.-Matthäus-Kirchhof”, März 2006
Schleicher
Grabmalskunst der Gründerzeit
Wie kein anderer repräsentiert dieser Friedhof das glanzvolle Berlin der Gründerzeit. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 versuchte das Bürgertum auf anderen Gebieten sein gewachsenes Selbstbewusstsein zur Schau zu stellen. Viele prächtige Wandgräber, Mausoleen und freistehende Bildwerke mit kunstvollen Grabgittern geben Zeugnis vom Repräsentationsbedürfnis und Wohlstand der Verstorbenen. Daneben bieten einfachere, sparsamer ausgeführte, aber künstlerisch ebenso wertvolle Grabmale großer Wissenschaftler, Künstler und hoher Beamter eine sehenswerte Ergänzung. Bekannte Architekten, Bildhauer und Kunstgewerbler der preußischen Kaiserzeit hinterließen ihre Werke auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof. Unter ihnen die Bildhauer Fritz Schaper (1841-1919) (Trauernde am Grabmal des Hofzahnarztes Wahlländer) und Rudolf Siemering (1835-1905) (Marmortondi am Grabmal Schemionek) sowie der Berliner Stararchitekt Friedrich Hitzig (1811-1881) (Erbbegräbnis der Bankiersfamilie Hansemann und Grabmal Schleicher). Das Grabmal für Ferdinand Streichenberg-Scharmer (1838-1856), das älteste und zu den künstlerisch wertvollsten auf dem Kirchhof zählend, entwarf der Bildhauer Julius Streichenberg (1814-1878). Die Kirchhofskapelle, ein Zentralbau mit Kuppel im repräsentativen Stil der italienischen Renaissance und des Barock, errichtete 1906-1909, Baurat Carl Tesenwitz, der auf diesem Friedhof ebenfalls seine letzte Ruhe fand. Der Entwurf stammt von Oberbaurat Gustav Werner.
Langenscheidt
Umbettungen nach Stahnsdorf
Zu einer teilweisen Zerstörung des Friedhofes kam es 1938/39 als das an der Großgörschenstraße gelegene nördliche Friedhofsdrittel aufgehoben wurde im Zuge der Planungen Albert Speers zur Umgestaltung der Hauptstadt in “Germania”. Tausende Gräber, darunter monumentale Erbbegräbnisse bekannter Persönlichkeiten ( u.a. des Verlegers Gustav Langenscheidt) mussten zugunsten der Anlage einer Nord-Süd-Achse weichen. Die Gräber wurden eingeebnet oder auf den Südwestkirchhof in Stahnsdorf umgebettet. Zu der 1941 vorgesehenen völligen Aufhebung des Alten St.-Matthäus-Kirchhofes kam es infolge des Kriegsverlaufes glücklicherweise nicht mehr. Doch wurden zahlreiche Grabanlagen während des Zweiten Weltkrieges stark beschädigt oder zerstört.
Denkmalschutz und Denkmalpflege
Bis in die 1960er Jahre wurden noch viele weitere aufgegebene und baufällige Grabstätten berühmter Persönlichkeiten eingeebnet und damit als Stätten der Erinnerung ausgelöscht. Erst zu Beginn der 1970er Jahre besann man sich darauf, die historischen Grabstätten zu sichern und zu erhalten. Mittlerweile steht der gesamte Kirchhof offiziell unter Gartendenkmalschutz. In den letzten Jahrzehnten wurden bereits verschiedene Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen an kunst- und kulturhistorisch bedeutenden Grabstätten durchgeführt, gefördert von der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB), dem Landesdenkmalamt Berlin und der Stiftung Historische Friedhöfe. Durch die Auflösung der Evangelischen Kirchengemeinde St.-Matthäus befindet sich der Kirchhof seit 2001 in Trägerschaft der Evangelischen Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde. Aus den regulären Einnahmen des Bestattungsbetriebes ist es der Kirchhofsverwaltung jedoch nicht möglich Erhalt und Pflege der historischen Grabanlagen ausreichend zu gewährleisten. Seit 2006 unterstützt der Förderverein EFEU e.V. die Kirchhofsverwaltung bei der Suche nach Grabpaten, die bereit sind, die Sicherung und Restaurierung einzelner Grabanlagen zu finanzieren und deren Pflege zu übernehmen. Den Paten steht dabei die Möglichkeit offen, die historische Grabanlage samt Denkmal im Bestattungsfall zu nutzen. Kontakt